Stromkonzern EnBW steht auf der Kippe


erschienen in: Neues Deutschland. 17.03.2011

Immer mehr Stromkunden kehren als Folge der Atomkatastrophe in Japan den großen Energiekonzernen den Rücken und wechseln zu Ökostromanbietern. Greenpeace Energy hat seither acht Mal so viele neue Kunden pro Tag, bei Lichtblick, Naturstrom und den Elektrizitätswerken Schönau sieht es ähnlich aus, meint Andree Böhling, Energie-Experte bei Greenpeace. Und auch die Aktienkurse der Energiekonzerne fallen. Besonders schlecht aufgestellt ist die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) – sie hängt am stärksten von der Atomenergie ab: »In 2010 wurde ein Unternehmensgewinn von 1,9 Milliarden Euro erwirtschaftet, davon mehr als eine Milliarde durch Stromerzeugung aus Atomkraft«, sagt Böhling.

Wie schlecht es um das Unternehmen bestellt ist, belegt die am Mittwoch in Stuttgart vorgestellte Studie »EnBW AG: Perspektiven eines Energiekonzerns« im Auftrag von Greenpeace. Selbst Studienautor Uwe Leprich, Energiewissenschaftler von der HTW Saarbrücken, war erstaunt über das Ergebnis seiner Untersuchung: Der Windkraftanteil liegt bei nur 0,1 Prozent. Während 2000 noch 13,9 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kamen, waren es zehn Jahre später nur 11,2 Prozent, der Großteil aus Wasserkraftwerken aus dem letzten Jahrhundert. Mit dem Ausbau der regenerativen Energien hat die EnBW also wenig zu tun. Dafür sind bisher hauptsächlich kleine Unternehmen und Stadtwerke verantwortlich.

Für Leprich steht die EnBW ökonomisch auf der Kippe: »In diesem Moment wird Neckarwestheim 1 runtergefahren, und mit Blick auf Japan glaube ich nicht, dass der Reaktor wieder ans Netz gehen wird. Es sind Nachrüstungen erforderlich, die nicht finanzierbar sind.« Die Abschaltung von Neckarwestheim 1 wird EnBW mit 200 Millionen Euro im Jahr belasten, hinzu kommen CO2-Zertifikate für 150 bis 200 Millionen Euro, die ab 2013 erworben werden müssen, und die neue Kernbrennstoffsteuer. Die starke Betonung der Atomenergie ist ein »Geschäftsmodell der 70er Jahre«, meint Leprich. Der Experte wird aus EnBW-Vorstandschef Hans-Peter Villis nicht schlau: »Das unternehmerische Denken ist hier sehr wenig ausgeprägt.« Für Anleger werde der Konzern erst interessant, wenn er sich als regionaler Infrastruktur- und Energieumweltdienstleister mit einem grünen Vertrieb neu ausrichte.

Die EnBW-Probleme treffen die baden-württembergische Landesregierung auch finanziell. Ende 2010 hatte das Land den 45-Prozent-Anteil des französischen Konzerns EDF an der EnBW für 4,5 Milliarden Euro gekauft. Ministerpräsident Stefan Mappus hoffte damals noch, man werde ihn als Garant für solide Wirtschaftspolitik feiern. Doch jetzt entpuppt sich der Deal als Luftnummer: EnBW hat angekündigt, dass die geplante Dividende von 1,53 Euro pro Aktie nicht zu erreichen sei. Leprich rechnet bestenfalls mit der Hälfte: »Damit hätten wir dann 150 Millionen Euro Verlust auf Kosten des Steuerzahlers.«

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